Wenn Kamele sterben

Dürre-7_620Dieses neugeborene Kamel wird in den nächten Tagen sterben, weil seine Mutter keine Milch mehr hat.

Schon im November 2016, bei unserem letzten Besuch im County Marsabit, waren die ersten Anzeichen einer beginnenden Dürreperiode zu sehen. Wir haben das Dorf Yaa Odhola, nördlich von Marsabit, besucht, in dem die Menschen verzweifelt auf den Regen warteten, während Ziegen und Schafe zu Dutzenden starben und sogar Kamelkadaver zu sehen waren.

Dürre-2_620Im Dorf Yaa Odhola berichten die Ältesten PACIDA, Malteser International und up4change von der pekären Lage.

 

Dürre-4_620Molu Bonaya führt uns durch sein Dorf und zeigt uns ein sterbendes Schäfchen.

Dürre-3_620Überall liegen tote Schafe und Ziegen in unterschiedlichsten Verwesungsstadien.

Dürre_620Höchste Alarmstufe: Das Gerippe eines toten Kamels. Kamele können – anders als Schafe, Ziegen und Rinder – zwei Wochen ohne Wasser überleben. Sie gelten als dürreresistent.

Wir sind froh, dass Malteser International schnelle Soforthilfe für die betroffenen Nomaden organisiert hat. Seitdem verfolgen wir die Nachrichten aus dem Norden Kenias mit wachsender Besorgnis. Leider hat die Regenzeit im Dezember nicht den notwendigen Regen gebracht, um die Lage nachhaltig zu verbessern. So steht im National drought early warning bulletin der NDMA (National Drought Management Authority) vom Januar 2017:

„Without urgent and appropriate action, Kenya could see a repeat of the drought situation in 2011.“

Eine kenianische Online Zeitung schreibt am 15.1.2017 einen Artikel über die Dürresituation im County Marsabit mit der Überschrift:

„It’s tough for everyone when even the camel cannot stand the heat“

Die Facebook Seite unserer kenianischen Partnerorganisation PACIDA berichtet über die Dürresituation wie folgt:

„The Drought Risk Assessment for MIO-NET ends today in Laisamis Sub-county, having gone round in the entire Marsabit. Families and livelihoods alike have massively affected with numerous livestock deaths reported and witnessed, while others evidently have frail health and possible human deaths.“

Ist es wieder so weit? Wird wieder dasselbe passieren wie 2011? Spätestens, wenn im März und April 2017 der Regen wieder ausbleibt, dann wird es unvermeidlich. Dann werden Bilder von hungernden Menschen, von toten Tieren die Berichte über Afrika beherrschen. Und wieder werden wir Hilfsgüter verteilende NGO Mitarbeiter sehen und dankbare Afrikaner als Empfänger. Nichts dagegen, wenn Nothilfe gut und effektiv organisiert ist und rechtzeitig bei den Bedürftigen ankommt. Wenn die Natur verrückt spielt, geht es nicht anders.
Solch dramatische Bilder verdecken allerdings die Bemühungen vieler Staaten und Hilfsorganisationen seit 2012, die Widerstandsfähigkeit der Nomaden gegenüber Dürren zu stärken. Die oben zitierte National Drought Management Authority wirbt z.B. dafür, dass die Nomaden einen Teil ihrer Herden rechtzeitig – vor Beginn der Dürre – verkaufen, um Geld für die Notzeit zurück legen zu können. Diesen wichtigen Gedanken hat eeem.org in dem eBook „Drought resilience“ verarbeitet und im Rahmen des vom BMZ geförderten Projektes im Juli 2016 mit dem Ziel einer Verhaltensänderung vor Ort geschult und zwar mit positiven Reaktionen der Teilnehmer, denen allerdings noch Taten folgen müssen.

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Wenn also solche Dürrekatastrophen keine Ausnahmen, sondern die Regel werden, dann helfen jahrhundertealte Überlebensstrategien nicht mehr weiter. Bislang hielten die Nomaden bewusst große Herden, um für solche Ausnahmesituationen gewappnet zu sein. Die Hälfte ihrer Herde konnte sterben, so hatten sie immer noch genug Tiere zum Überleben. Durch den Klimawandel mit häufigeren Dürren sterben mehr Tiere und die Herden können sich nicht mehr wie früher erholen. Die Umstände erzwingen eine Verhaltensänderung. Zwei schwere Dürren innerhalb eines Jahrzehnts bleiben im Gedächtnis haften. So grausam es ist: Das Desaster bietet die Chance, eine neue Überlebensstrategie zu etablieren und zu festigen: Die Tiere müssen rechtzeitig verkauft werden, um die Dürren besser überstehen zu können. Nothilfe allein wird nicht reichen.

Uli Schwarz und Petra Dilthey