Satt werden in der Fremde

Der Hunger hat sie buchstäblich aus der Nachbarprovinz Tamil Nadu hierhin verschlagen. Ein Großteil der Leute stammt aus der Gegend um die Stadt Salem, andere wie Ravi aus Chennai, dem früheren Madras. Ravi Mudhamgala, Slumbewohnerin in Autonagar, erzählt uns: „Als wir noch in Madras lebten, da hatten wir nicht mal genug zum Essen. Hier können wir zweimal am Tag essen. Wenn wir in Madras geblieben wären, könnten wir das nicht. Deswegen sind wir hier zufrieden”.

In der Kornkammer von Andhra Pradesh ca. 400 Kilometer von Chennai entfernt, hungern sie nicht mehr und können sich zwei warme Mahlzeiten am Tag leisten. Hier ist die Arbeit nicht so beschwerlich und gefährlich. Die Verbindungen zur früheren Heimat, die mindestens 10 Zugstunden entfernt liegt, ist immer noch gut. Häufig scheinen ganze Familien zu verschwinden, um dann Wochen später wieder da zu sein.

Es gibt noch einen anderen Aspekt, der im Slum Autonagar zu beobachten ist: Die Migranten aus Tamil Nadu schotten sich gegenüber den Telegu sprechenden Einwohnern von Vijyawada ab. Zum Teil sprechen sie nur Tamil und sind deshalb auch nicht in der Lage, mit ihren Kollegen aus Andhra Pradesh zu reden.

Aus der Sicht der Behörden sind die Leute aus Tamil Nadu, das heißt alle in Autonagar, illegal in der Stadt. Folglich sind sie nicht registriert und haben keine „ration card“, um preiswerter einkaufen zu können. Noel Harper, Gründer der NGO Care & Share erklärt uns:

„Die Regierung tut überhaupt nichts für diese Menschen, weil sie ihrer Meinung nach illegale Siedler sind. Die Politiker wollen, dass sie von hier verschwinden. Sie begründen es damit, dass es sich hier um ein Industriegebiet handelt und wollen nicht, dass da Menschen leben. Diese Slumbewohner existieren nicht in staatlichen Dokumenten. Sie haben keine Lebensmittelkarten, sie besitzen keine Dokumente, die sie berechtigen, hier zu leben.“

Uli Schwarz und Petra Dilthey